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Verzerrungen – Wie Wahrnehmungsfehler den Erfolg gefährden

Yvonne Wicke | 20. Juli 2023

Fehler in Unternehmen: Wie Wahrnehmungsfehler den Erfolg beeinflussen

In vielen Unternehmen führen Wahrnehmungsfehler oft zu unerwarteten Problemen. Diese Planungs- und Steuerungsfehler sind systematisch und hindern uns daran, fundierte Entscheidungen zu treffen. Um sie zu erkennen und zu vermeiden, müssen wir uns ihrer bewusst sein. In unserer Beratungstätigkeit stoßen wir immer wieder auf bestimmte Muster.

Verzerrungen sind kein Zufall

Planungsabweichungen resultieren nicht nur aus der unplanmäßigen Umsetzung von getroffenen Entscheidungen oder durch das Eintreten unvorhergesehener Ereignisse. Verzerrungen wie Selbstüberschätzung oder unbegründeter Optimismus können ebenfalls zu Fehlern führen. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Verzerrungen (engl. Bias) nicht zufällig auftreten. Sie sind nicht mit den zufälligen Abweichungen bei Entscheidungen (Streuung) zu verwechseln.

Denken Sie an die Personenwaage in Ihrem Badezimmer, daran lässt sich der Unterschied gut verdeutlichen. Gibt die Waage immer entweder ein zu hohes oder ein zu niedriges Gewicht an, liegt ein systematischer Fehler vor, eine Verzerrung. Hängt das Gewicht davon ab, an welcher Stelle der Waage Sie Ihre Füße aufsetzen, handelt es sich um eine zufällige Abweichung; hier sprechen wir von Streuung. (Daniel Kahneman, Andrew M. Rosenfield, Linnea Gandhi, Tom Blaser 2016).

Verzerrungen entlarven und klüger entscheiden!

Unbewusste Wahrnehmungsfehler

Psychologen und Verhaltensökonomen haben viele kognitive Verzerrungen entdeckt, die unsere Fähigkeit beeinträchtigen, Informationen objektiv zu bewerten, fundierte Urteile zu fällen und sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Eine kognitive Verzerrung ist ein kognitionspsychologischer Sammelbegriff für systematische fehlerhafte Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen. Sie bleiben meist unbewusst und basieren auf kognitiven Heuristiken (Faustregeln). Es gibt über 100 kognitive Verzerrungen, wie Rolf Dobelli in seinem Buch „Klar denken, klug handeln“ beschreibt (Dobelli 2015).

Arten der kognitiven Verzerrungen

Schauen wir uns einige einfache Kategorien an, die wir in unserer Beratungstätigkeit in Unternehmen immer wieder aufdecken.

  • Handlungsorientierte Verzerrungen

Selbstüberschätzung (Overconfidence-Bias): Wir sind zu optimistisch im Hinblick auf das Ergebnis geplanter Aktionen.

Beispiel: Ein CEO eines Unternehmens ist überzeugt, dass die neue Produktlinie einen riesigen Erfolg bringen wird, obwohl die Marktanalyse nur begrenztes Potenzial zeigt. Aufgrund dieser Selbstüberschätzung werden Ressourcen in ein riskantes Projekt investiert, das letztendlich keinen ausreichenden Umsatz generiert.

  • Kognitive Verzerrungen beim Wahrnehmen und Beurteilen von Alternativen

Ankereffekt (Anchoring effect): Entscheidungen werden von momentan vorhandenen Umgebungsinformationen beeinflusst, auch wenn diese eigentlich irrelevant sind. Es handelt sich also um einen Effekt, bei dem sich das Urteil an einem willkürlichen Anker orientiert. Die Folge ist eine systematische Verzerrung in Richtung des Ankers.

Beispiel: Die Unternehmensführung hat eine Preisobergrenze für ein neues Produkt festgelegt. Die Marketingabteilung entscheidet sich, den Preis knapp unterhalb dieser Obergrenze anzusetzen, um eine vermeintliche „Schnäppchen“-Atmosphäre zu erzeugen. Dadurch wird der Wert des Produkts möglicherweise unterschätzt, und das Unternehmen versäumt, den tatsächlichen Marktwert zu erkennen.

Gruppendenken (Group thinking): Wir suchen nach Konsens und vernachlässigen dabei eine realistische Einschätzung alternativer Vorgehensweisen. Die Gefahr des Gruppendenkens besteht in seiner ausgeprägten Starrheit und Irrationalität.

Beispiel: In einer Vorstandssitzung werden verschiedene Vorgehensweisen zur Bewältigung einer Krise diskutiert. Die meisten Vorstandsmitglieder sind sich einig, eine bestimmte Strategie zu verfolgen, um einen einheitlichen Konsens zu erzielen. Dadurch werden alternative Ideen oder kritische Stimmen unterdrückt, und das Unternehmen verpasst möglicherweise innovative Lösungsansätze.

Bestätigungsfehler (Confirmation bias): Wir selektieren Informationen, die unsere eigenen Erwartungen bestätigen, und sind nicht objektiv in der Informationssuche.

Beispiel: Ein Unternehmen plant eine Investition in erneuerbare Energien. Die Entscheidungsträger suchen hauptsächlich nach Informationen, die ihre positive Sichtweise auf erneuerbare Energien bestätigen, und vernachlässigen dabei potenzielle Risiken oder Probleme. Dadurch könnten sie wichtige Aspekte übersehen und eine weniger ausgewogene Entscheidung treffen.

  • Kognitive Verzerrungen beim Formulieren von Alternativen

Verlustaversion (Loss aversion): In der Psychologie und Ökonomie ist es die Tendenz, Verluste höher zu gewichten als Gewinne. Die Verlustaversion ist ein Bestandteil der neuen Erwartungstheorie (engl. Prospect Theory), die 1979 von Kahneman und Tversky aufgestellt wurde (Kahneman und Tversky 1979). Eine wichtige Erkenntnis dieser Theorie ist, dass sich Individuen in Entscheidungssituationen irrational verhalten, wenn Unsicherheiten eine Rolle spielen.

Beispiel: Das Unternehmen steht vor einer entscheidenden Fusion, die das Potenzial hat, den Umsatz deutlich zu steigern. Allerdings sind auch Risiken und Kosten damit verbunden. Die Entscheidungsträger neigen dazu, die möglichen Verluste stärker zu gewichten als die potenziellen Gewinne. Dies könnte zu einer Entscheidungsunfähigkeit führen, obwohl die Fusion langfristig erfolgreich sein könnte.

  • Stabilitätsirrtümer

Status-quo-Fehler: Gegenüber Veränderungen bevorzugen die meisten Menschen den Status Quo. In der Planung kann dieses bedeuten, dass die Entscheider oftmals beim gegenwärtigen Zustand als bequemste und risikoärmste Alternative verbleiben (ein Hinderungsgrund für eine Innovationskultur).

Beispiel: Ein Unternehmen ist seit Jahren auf einem bestimmten Markt etabliert. Obwohl es Anzeichen für eine Veränderung im Marktumfeld gibt, bleibt das Unternehmen bei bewährten Strategien und vernachlässigt mögliche Innovationen. Dadurch versäumt es, sich den neuen Herausforderungen anzupassen und verliert möglicherweise an Wettbewerbsfähigkeit.

Diese und natürlich noch weitere praktische Verzerrungen werden in der entsprechenden Fachliteratur bestätigt.

Verzerrungen verstehen und besser entscheiden

Unser Ziel ist es, das Konzept der Verzerrungen als Fehlerquelle näher zu erklären und dem interessierten Leser nahezubringen. Verzerrungen sind häufig die Hauptursache für Probleme in Unternehmen. Obwohl es schwierig ist, die Denkweisen der Beteiligten zu ändern, können wir das Entscheidungsumfeld unserer Mitarbeiter verbessern. Wenn wir uns bewusst sind, wie Verzerrungen uns beeinflussen, können wir gezielt Maßnahmen ergreifen, um aus dieser Falle herauszukommen. Das erweitert unsere Perspektive und hilft uns, bessere Entscheidungen zu treffen.

Bei TD Trusted Decisions unterstützen wir unsere Kunden mit verschiedenen Werkzeugen aus unserem systemischen Beratungsansatz, um diese Herausforderungen erfolgreich anzugehen.

Verzerrungen

Entscheider können verschiedene Strategien anwenden, um sich vor den Auswirkungen der kognitiven Verzerrungen zu schützen und fundiertere Entscheidungen zu treffen.

Bewusstsein schaffen

Der erste Schritt besteht darin, sich der Existenz und der Auswirkungen von kognitiven Verzerrungen bewusst zu werden. Entscheider sollten sich selbst und ihr Team für diese Verzerrungen sensibilisieren, um sie besser erkennen zu können.

Diverse Perspektiven einholen

Das Einholen von Meinungen und Perspektiven verschiedener Teammitglieder oder Experten kann dabei helfen, eine breitere Sichtweise zu erhalten und Gruppendenken zu vermeiden.

Entscheidungsprozess strukturieren

Ein klar strukturierter Entscheidungsprozess mit klaren Kriterien und Analysetools kann dabei helfen, Emotionen und subjektive Einflüsse zu reduzieren.

Alternative Szenarien durchspielen

Statt sich nur auf eine Lösung zu fokussieren, sollten Entscheider verschiedene Alternativen und Szenarien durchspielen und deren mögliche Konsequenzen bewerten.

Kritische Fragen stellen

Entscheider sollten sich selbst und anderen kritische Fragen stellen, um verborgene Annahmen und mögliche Bestätigungsfehler zu identifizieren.

Externe Beratung einholen

Das Hinzuziehen externer Berater oder Experten kann dazu beitragen, blinde Flecken zu reduzieren und eine objektivere Einschätzung zu erhalten.

Entscheidungen überdenken

In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Entscheidung zu pausieren und nochmals zu überdenken, bevor sie endgültig umgesetzt wird.

Datenbasierte Entscheidungen

Entscheider sollten sich auf Fakten und Daten stützen, aber die Intuition oder das Bauchgefühl nicht verdrängen.

Risikomanagement

Eine sorgfältige Risikoanalyse und -bewertung kann dazu beitragen, mögliche Verluste realistisch einzuschätzen und irrationaler Verlustaversion entgegenzuwirken.

Rüsten Sie sich gegen die heimtückischen Entscheidungsstolpersteine in Ihrem Unternehmen! Indem Sie sich bewusst mit den kognitiven Verzerrungen auseinandersetzen, können Sie Ihren Entscheidungsprozess auf ein neues Level heben. Nutzen Sie die vielfältigen Strategien, die wir Ihnen vorgestellt haben, um sich vor den Einflüssen dieser Verzerrungen zu schützen und klügere Entscheidungen zu treffen. Auch das Führen eines Entscheidungstagebuchs kann helfen, die eigenen Entscheidungsprozesse zu reflektieren und aus vergangenen Erfahrungen zu lernen.

Erforschen Sie gemeinsam mit Ihrem Team die verborgenen Aspekte Ihrer Entscheidungen und hinterfragen Sie kritisch die Annahmen, die Sie treffen. Seien Sie mutig, alternative Perspektiven einzubeziehen, und schätzen Sie den Wert von Daten und Fakten in Ihrem Entscheidungsprozess.

Gemeinsam mit TD Trusted Decisions GmbH stehen Ihnen wertvolle Werkzeuge aus unserem systemischen Beratungsansatz zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns gerne für weitere Unterstützung auf Ihrem Weg zu einer erfolgreichen Entscheidungskultur.

Kontakt aufnehmen

Wertvolle Einblicke und praktische Tipps im Podcast

Tauchen Sie noch tiefer in die Thematik ein und hören Sie interessante Interviews zu kognitiven Verzerrungen und Entscheidungsstrategien in den Podcast-Sendungen von Peter Bluhm (Atvisio) und Philipp Wicke, Geschäftsführer von TD Trusted Decisions Hannover GmbH.

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Literaturtipps

Nicht zuletzt möchten wir Ihnen weitere Vertiefungsmöglichkeiten anbieten: Erfahren Sie noch mehr über das spannende Thema der kognitiven Verzerrungen und deren Auswirkungen auf Entscheidungsprozesse in der Unternehmenswelt durch unsere empfohlene Literaturliste.

  • Schnelles Denken, langsames Denken; Siedler 2012; Daniel Kahneman
  • Der Halo-Effekt: Wie Manager sich täuschen lassen; Gabal 2008; Phil Rosenzweig
  • Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen; Hanser 2011; Rolf Dobelli
  • „Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk“; In: Econometrica. 47 (2), S. 263–91.Kahneman, Daniel; Tversky, Amos (1979)
  • „Immer ins Schwarze 12/2016“; In: Harvard Business Manager; Daniel Kahneman, Andrew M. Rosenfield, Linnea Gandhi, Tom Blaser (2016)
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